Sportdaten-Blog
23.08.2022

Nachhaltige Datenverarbeitung im Sport

Das Thema Nachhaltigkeit ist im Profi-Sport präsenter denn je. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat am 30.05.2022 einen Mitgliederbeschluss gefasst, nach dem die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien in Zukunft sogar Teil des Lizensierungsprozesses im Profi-Fußball werden soll. Im Sport lag der Fokus von Nachhaltigkeitsmaßnahmen bisher überwiegend im Bereich Umwelt & Soziales. Wenig Aufmerksamkeit kommt hingegen bisher der Nachhaltigkeit im digitalen Bereich zu. Dieser Beitrag erläutert, welche Schnittmengen zwischen den Bereichen Nachhaltigkeit und Datenschutz bestehen und wie beide Bereiche Hand in Hand gehen können – und dass sie es sollten. Nicht nur für Sponsoren, sondern auch für Fans und Spieler:innen– insbesondere der jüngeren Generation – sind die Themen Nachhaltigkeit und Datenschutz elementar. Die aktuell freitags demonstrierende Generation wird zur datenschutzrechtlichen Mündigkeit erzogen und ihre Entscheidungen auch danach treffen, inwieweit der Prozess der Digitalisierung nachhaltig gestaltet wird.

Nachhaltigkeit und Datenschutz – Die Corporate Digital Responsibility

Datenschutz ist Bestandteil eines effektiven Nachhaltigkeitskonzepts bzw. sollte dies in jedem Fall sein. Dies hat auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Mai 2018 erkannt und die sog. CDR-Initiative gemeinsam mit großen Unternehmen (u.a. O2 Telefonica, Telekom und Zalando) ins Leben gerufen. CDR steht für Corporate Digital Responsibility, also die unternehmerische Verantwortung für Nachhaltigkeit im digitalen Raum. Wesentliche Aspekte sind der Datenschutz, der Schutz des geistigen Eigentums und der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Die Initiative hat einen CDR-Kodex entwickelt, der Unternehmen im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtung dazu anhalten soll, ihrer Verantwortung für den digital Raum gerecht zu werden.

Die CDR-Initiative beschreibt auch, weshalb das Thema Datenschutz einen Effekt auf verschiedene Bereiche der Nachhaltigkeit haben kann. So ist ein wesentliches Prinzip der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bspw. das Prinzip der Datensparsamkeit und Datenminimierung (Art. 5 Abs.1 S.1 lit. c DSGVO). Die Umsetzung dieser Prinzipien wirkt sich auch auf ökologischer Ebene aus: Je geringer der Umfang der Datenverarbeitung ausfällt, desto ressourcenschonender können Server und weitere Technik eingesetzt werden. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Unternehmen ihre Datenverarbeitungsprozesse – und damit u.U. zentrale Bereiche ihrer unternehmerischen Kerntätigkeit – prüfen und gegebenenfalls neu ausrichten. Entsprechende Entscheidungen werden auf der Management-Ebene als Ausdruck ökonomisch-ökologischer Nachhaltigkeit getroffen. Ferner ist auch die soziale Ebene der Nachhaltigkeit von einer datenschutzkonformen Unternehmenspraxis unmittelbar betroffen: Mit einer reduzierten Menge an verarbeiteten personenbezogenen Daten und/oder einer rechtskonformen Datenverarbeitung sinkt nämlich zugleich das Risiko einer Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung Betroffener. Dieser Aspekte sollte keinesfalls unterschätzt werden: Datenschutz ist Grundrechtsschutz, Grundrechtsschutz ist Ausdruck des Schutzes der Menschenrechte und damit wesentlicher Bestandteil der Nachhaltigkeit.

Auch die Global Reporting Initiative (GRI), deren Standards innerhalb der EU als Maßstab für ein nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen anerkannt sind, widmet einen ganzen Standard dem Thema Datenschutz. Zu beachten ist daneben die „Data Privacy, Ethics and Protection Guidance Note on Big Data for Achievement of the 2030 Agenda“ der UN.

Datenschutz und Nachhaltigkeit im Sport

Auch im Sport sollten Nachhaltigkeit und Datenschutz nicht (mehr) getrennt voneinander behandelt werden. Der Sport kann u.a. aufgrund der Vereins- und Verbandsautonomie seine Möglichkeiten nutzen, um Entwicklungen in diesem Bereich auf rechtlicher wie tatsächlicher Ebene zu beschleunigen. So wäre es begrüßenswert, wenn sich auch Sportvereine und Sportverbände zur digitalen Nachhaltigkeit bekennen. In Betracht kommt etwa die Erarbeitung eigener CDR-Kodizes, die auf die speziellen Anforderungen im Sport zugeschnitten sind.

So könnte etwa erwogen werden, mittels solcher sportspezifischer CDR-Kodizes anonymisierte oder pseudonymisierte Datenbanken einzuführen, die nur Unterzeichnern der CDR-Kodizes zur Verfügung stehen und etwa auf Verbandsebene geführt werden. In diesen Datenbanken könnten diejenigen Daten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form gespeichert werden, die für Leistungsbewertung und Scouting essentiell sind. Interessierte Vereine können sich dann zunächst über Spieler und deren Konformität mit dem eigenen Anforderungsprofil informieren, bevor umfangreiche eigene Datenerhebungen getätigt werden, die ansonsten u.U. gar nicht erforderlich sind. Sollte ein Spieler bzw. eine Spielerin zum Anforderungsprofil eines Vereins passen, könnten Spieler:innen im nächsten Schritt über das Interesse des Vereins informiert und nach ihrer Einwilligung in weiteres Scouting oder die Aufhebung der Anonymisierung / Pseudonymisierung ihrer Daten gefragt werden. Wie jede datenschutzrechtliche Einwilligung wäre eine solche Einwilligung frei widerruflich (vgl. Art. 7 Abs.4 DSGVO), sodass Sportler:innen deutlich selbstbestimmter über ihren Scoutingdaten bestimmen könnten. Sollte es sich bei den Scoutingdaten zudem um Gesundheitsdaten oder um Daten Minderjähriger handeln, wäre eine Einwilligung für die rechtmäßige Datenverarbeitung in bestimmten Fällen sogar gesetzlich zwingend erforderlich. An diesem Beispiel zeigt sich, wie sich gesetzliche und auf freiwilliger Selbstverpflichtung beruhende Vorgaben zum Datenschutz im Sport ergänzen können und zugleich einen Beitrag zum ressourcen- und persönlichkeitsrechtschonenden Umgang mit Daten leisten können.

Ähnlich den Leitlinien der CDR-Initiative des Bundes könnten CDR-Kodizes im Sport weitere freiwillige Selbstverpflichtungen etwa zur Reduzierung von Datenmengen und zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz beinhalten. So sollte das Verbot automatisierter Entscheidungsfindung in der DSGVO (Profiling; vgl. Art. 22 DSGVO) genau darauf überprüft werden, welche gesetzlichen Mindestvorgaben es beinhaltet und welche Möglichkeiten zur überobligatorischen Umsetzung im Sport bestehen. Außerdem sollten alle Datenverarbeitungen im Sport zwingend in feste Löschkonzepte etabliert sein, um eine nicht erforderliche Datensammlung zu vermeiden.
Derartige Maßnahmen für digitale Nachhaltigkeit bringen viele Vorteile mit sich. Zum einen wird das Vertrauen der Spieler:innen in den datenverarbeitenden Verein erhöht, sodass u.U. Verträge eher zustande kommen oder zumindest freiwillig mehr Datensätze von Spielerseite zur Verfügung gestellt werden. Das Interesse der zukünftigen Spielergenerationen an Fragen und Schnittmengen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit sollte einmal mehr nicht unterschätzt werden. Daneben können Vereine auf diesem Wege die Erwartungen von Fans und Sponsoren erfüllen.

Die am Beispiel des Spielerscoutings geschilderten Zusammenhänge zwischen Datenschutz und Nachhaltigkeit beschränken sich keinesfalls auf Sportvereine oder Sportverbände. Sie gelten ebenso für Spielerberateragenturen, Datenanalysten und alle anderen Stakeholder, die regelmäßig Daten im Sport verarbeiten.

Fazit und Handlungsempfehlung

Alle Stakeholder im Sport sollten neben der Erfüllung gesetzlicher Mindestvorgaben prüfen, ob sie ihrer Verantwortung im digitalen Raum gerecht werden. Ein auf den Sport zugeschnittenes Konzept für digitale Nachhaltigkeit erfordert zwingend eine Bekennung zum Datenschutz und die Etablierung eines entsprechenden Schutzkonzepts. Dazu gehört neben der Erwägung sportspezifischer CDR-Kodizes auch eine organisatorische Anpassung innerhalb von Sportorganisationen. So sollte ein regelmäßiger Austausch zwischen Datenschutzbeauftragtem und verschiedenen Geschäftsbereichen (Marketing, Sportliche Leitung, Scoutingabteilung, IT, Medizinische Abteilung) etabliert werden. Die verschiedenen Geschäftsbereiche sollten trotz der Bedeutung ihrer jeweiligen Kerntätigkeit, den Datenschutz und ihren Beitrag für die Wahrnehmung der digitalen Verantwortung ihrer Sportorganisation nicht aus den Augen verlieren. Hierzu können Roundtables aller Abteilungen und Schulungen unter Leitung des Datenschutzbeauftragten- und Datenschutzkoordinators einen wichtigen Beitrag leisten.

martens-dr-tinusch-Jalilvand
Dr. Tinusch Jalilvand Rechtsanwalt Associate
Fragen oder Feedback?
Ich freue mich auf Ihre E-Mail.